Ploimer Auswanderer

 

Die  Schiffskatastrophe der „Johanne“ vor Spiekeroog

 

Die „Johanne“ war eine hölzerne Bark von ca. 30 m Länge und ca. 5,50 m Breite. Sie wurde auf einer Werft in Linien, heute ein Stadtteil von Elsfleth gebaut und am 21. Oktober 1854 in Dienst gestellt. Die Jungfernfahrt des Schiffes sollte von Bremen an der Weser nach Baltimore an der Ostküste der USA (New York?) führen.

Wohlgelaunt und voller Hoffnung gingen am 29. Und 30. Oktober 1854  216 Auswanderer – 94 Männer, 77 Frauen, 32 Kinder unter 10 Jahren, 13 Säuglinge, 15 Besatzungsmitglieder und der Kapitän – darunter 5 Personen aus Pflaumheim: Margaretha Braun 20 Jahre, Adam Hock 23 Jahre, Catharina Zahn 24 Jahre, Peter Karl Hock 30 Jahre und Christian Höfling an Bord. Noch im späten 19. Jahrhundert war Auswanderung lebensgefährlich. Wer sich entschloss, in der Neuen Welt ein neues Leben zu wagen, musste eine gefahrvolle Seereise riskieren.

Am 2. November 1854 schließlich stach die Dreimastbark  „Johanne“ in See. An Bord befanden sich überwiegend Auswanderer aus dem Süden Deutschlands, die unter großen Strapazen die Küste erreicht und einen miserablen Zwischendeckplatz an Bord ergattert hatten. Sie alle waren fast bitterarm und wollten in Amerika eine neue Heimat finden.

Anfänglich lief alles glatt. Am Nachmittag des 3. November jedoch lavierte die Bark untergerefften Segeln in schwerem Nordwest bei Norderney. Die Passagiere an Bord hielten sich überwiegend unter Deck auf bei relativer Enge, stickiger Luft und ohne Licht - Kojen gab es nicht für alle Passagiere; Gepäck und Habseligkeiten der Auswanderer waren ebenfalls in den Passagierdecks verstaut.

Am folgenden Tag drehte der Wind und das Schiff lief unter vollen Segeln vor günstigem Südost. Schon glaubte man das Schlimmste sei überstanden, als in der Nacht auf den 5. November der Wind erneut auf Nordwest sprang und Sturmstärke annahm. Beim Festmachen des Bramsegels ging ein Matrose über Bord, der nicht gerettet werden konnte. Schließlich verlor das Schiff in drei Grundseen die Stagsegel. Trotz verzweifelter Anstrengungen wurde die „Johanne“ von ihrer Position westlich von Helgoland unerbittlich nach Süden vertrieben. In der Nacht auf den 6. November schließlich wuchs der Sturm zum Orkan. Von Hagel und Schneeböen gepeitscht, driftete die Bark, fast schon ein Wrack, auf die Untiefen vor Spiekeroog und strandete in der haushohen Brandung drei Stunden vor Eintritt der Flut am 6. November und kenterte dabei zur Seeseite. Masten und Takelage „kamen von oben“, teils auf Befehl des Kapitäns gekappt, um ein Kentern zu verhindern, teils durch die Brandung. Ein Mast zertrümmerte ein Deckshaus und verursachte den ersten Toten und Schwerverletzten. Weitere Passagiere wurden von der kochenden See über Bord gespült und ertranken im eisigen Wasser der Nordsee. Die Rettungsboote der Bark zur Rettung der Passagiere und Besatzung wurden zertrümmert und konnten nicht mehr eingesetzt werden. Die Bewohner der Insel Spiekeroog mussten dem Unglück hilflos zusehen, da sie kein geeignetes Rettungsboot zur Hand hatten. Erst bei Niedrigwasser konnten Schiffbrüchige gerettet werden, die sich unter Deck verrammelt hatten und ihr Glück zunächst kaum glauben konnten, darunter die fünf Emigranten aus Pflaumheim. Die Insulaner fanden Leichen und zerschlagene Körperteile am Strand.

Am Morgen des 6. November 1854 sahen die 134 vollzählig am Strand versammelten Spiekerooger einen Trümmerhaufen an ihrer Küste, auf dem zahllose Menschen um ihr Leben rangen.

Die Erretteten wurden liebevoll von den selbst armen Inselbewohnern aufgenommen und versorgt, bis sie am 14. November nach Bremerhaven abreisten, wo sie am 18. November eintrafen. Die meisten der Überlebenden reisten ärmer denn je wieder in ihre süddeutsche Heimat zurück, nur wenige versuchten später einen zweiten Anlauf.

Durch das Unglück verloren 77 der Auswanderer ihr Leben, darunter 18 Männer, 34 Frauen, 18 Kinder unter 10 Jahren und 7 Säuglinge. Die Toten der „Johanne“ wurden auf dem „Friedhof der Ertrunkenen“ („Drinkeldodenkarkhof”) am Ostrand des Dorfes beigesetzt.

Das Wrack der „Johanne“ versackte allmählich im Mahlsand. Heute gibt es keine Spur mehr von ihr. Doch die Tragödie sollte auch ein Gutes haben. Sie hatte zu neuem Denken an der Nordseeküste geführt und war ausschlaggebend für die Gründung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.

Margaretha Braun geb. am 17.06.1834 in Pflaumheim, Adam Hock geb. am 18.11.1831 in Pflaumheim, Peter Hock geb. 15.04.1825 in Pflaumheim und Catharina Zahn (Braut des Peter Hock) gaben trotz der überstandenen Schiffskatastrophe ihr Vorhaben nicht auf. Sie reisten auf dem Schiff „Wilhelmine“ nach Baltimore wo sie am 19. Februar 1855 ankamen, während Christian Höfling nach Pflaumheim zurückkehrte.

 

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Beitrag von: Albert Wagner, Herbert Rachor

 

 

 

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